Achtsamkeit ist in der buddhistischen Philosophie und Psychologie von jeher eine innere Haltung eines Ganzen welche dazu dient Weisheit und ein Gewahrsein für sich und die Welt zu entfalten, einen wachen Geisteszustand zu wahren und ethisch handelnd in der Welt zu wirken. Dies bedarf der alltäglichen Verbindung mehrerer Bereiche des menschlichen Seins. Neben dem Bereich des Wissens (Empirie), und des Bereichs der Einsicht mittels Weisheit bedarf es einer ethisch motivierten Lebensführung und einer im Boden verwurzelten Übung der Überwindung der Anhaftung an die persönlichen mentalen Konditionierungen und Prägungen. Eine ethische, auf Selbsterkenntnis und Selbstwerdung ausgerichtete Lebensweise, wird dabei als Voraussetzungen für ein erfülltes und glückliches Leben gesehen. In der richtigen Übung einer umfassenden kontemplativ-meditativen Achtsamkeitspraxis liegt das Potential der Verbindung einer lebendigen Geistes- und Herzensbildung die in der Selbsterkenntnis und Selbstwerdung wurzelt. Aufgrund ihrer Universalität ist die existentielle Grunderfahrung einer umfassend achtsamen Haltung kulturunabhängig für alle Menschen erfahrbar. Umfassende Achtsamkeit, welche eine auf den universalen existentiellen Grunderfahrungen des Menschen beruhende Ethik integriert, ist dem Bereich der universalen Betrachtung zuzuordnen und ist keine prophetische oder esoterische Sache, denn eine universale Betrachtung ist noch keine Weltanschauung.
Derzeit bemüht sich die westliche Achtsamkeitsbewegung die innere Integrität und den Zusammenhalt einer umfassenden Achtsamkeit theoretisch wie auch praktisch zu etablieren. Durch die missbräuchliche Verwendung von Achtsamkeit zu militärischen Zwecken oder der Förderung eines rein leistungsorientiert-materiellen Menschenbildes ist das Bewusstsein für die hohe Relevanz der Integration einer auf Empathie und Mitgefühl basierenden altruistischen Grundhaltung gewachsen. Dabei werden die verschiedenen achtsamkeitsrelevanten Bereiche und die Wirkung von Aspekten der Achtsamkeitspraxis mit westlichen wissenschaftlichen Methoden geprüft, mit den Bedürfnissen der heutigen Menschen verbunden und in zeitgemäße Formen gebracht. Die Grundstruktur wissenschaftlichen Arbeitens besteht dabei, auch wenn die technischen Mittel heute andere sind, seit jeher aus der kritischen Auseinandersetzung mit theoretischen Annahmen, dem prüfenden Nachdenken über diese, deren Überprüfung mittels Nachvollzug der methodischen Anweisungen und die Weiterentwicklung auf Basis der dabei gesammelten Erfahrungen und Einsichten.
Das Potenzial von umfassender Achtsamkeit liegt besonders in der vielseitigen Anwendbarkeit und den auf verschiedene Bedürfnisse anwendbaren multidimensionalen Bezügen von Achtsamkeit in der heutigen Weltsituation. Die methodische Grundlage einer umfassenden Achtsamkeitspraxis beinhaltet die Bereiche der Geistesruhe, der Einsicht und der ethischen Ausrichtung. Diese können je nach Anwendungsgebiet, Zielformulierung und intendierten Kompetenzerwerb methodisch variiert und gewichtet werden. Effekte einer umfassenden Achtsamkeitspraxis, auf individueller, organisatorischer und kollektiver Ebene sind u.a.: die Förderung von Gesundheit und Resilienz (von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen), eine erhöhte Flexibilität, Kreativität und Problemlösefähigkeit, eine verbesserte Konfliktlösungskompetenz, ein konzentrierter Lebens- und Arbeitsstil, die Verbindung mit sich und die Entfaltung des in sich oder der Gruppe vorhandenen Potenzials, eine nachhaltige und stabilitätsfördernde sozial orientierte Sichtweise, das Erkennen von inneren Bezügen, sowie mehr Mitgefühl für sich und die Welt und ein daraus resultierendes tiefgreifendes Wohlbefinden und Glück. In diesem Sinne beinhaltet eine umfassende Achtsamkeitspraxis folgende Bereiche: 1. Die Übung der Geistesruhe (Sanskrit: Śamatha; Pāli: Samatha), 2. Einsicht in das existentielle Sein der Phänomene (Sanskrit: Vipaśyanā; Pāli: Vipassanā), 3. liebvolle Güte (Sanskrit: Maitrī; Pali: Mettā) und 4. unermessliches Mitgefühl (Sanskrit, Pali: Karunā). Die kontemplativ-meditativen Methoden fördern die Überwindung der persönlichen Anhaftung an die mentalen Konditionierungen und Prägungen auf individueller, organisatorischer und kollektiver Ebene.
Achtsamkeitspraktiken und kontemplativ-meditative Übungen sind kein Ersatz für eine medizinische oder therapeutische Diagnose, Behandlung oder Therapie. Im therapeutischen Setting können Achtsamkeitsübungen von einem/einer entsprechend ausgebildeten Terapeut*In oder nach Absprache als zusätzlicher Therapiebaustein eingesetzt werden.