Achtsamkeit in der Krise oder: alles eine Frage der Perspektive

Hallo ihr Lieben. Nach längerer Zeit der Einkehr melde ich mich nun wieder einmal bei euch, liebe Follower und möchte mit euch meine Erkenntnisse zur Entwicklung von Achtsamkeit in der westlichen Kultur teilen. Auslöser dafür ist, dass ich, Aufgrund einer Aussage von mir, gefragt wurde, warum ich die westliche Achtsamkeitsbewegung gegenwärtig in einer Krise sehe und was ich mit dem Begriff westliche Achtsamkeitsbewegung überhaupt meine. Im Folgenden könnt ihr meine Antwort dazu lesen, ich freue mich auch über Feedback dazu.

Argument 1: Aus Perspektive der Interkulturelle Philosophie und Soziologie sind sich Kulturen zwar in ihren existentiellen Strukturen ähnlich, darüber hinaus jedoch sind sie sehr verschieden. Ein Buddhist wird in einem anderen kulturellen Rahmen, einer anderen Sozietät und einer anderen Geschichtlichkeit geformt. Z.B. ist schon alleine die Grundausrichtung des impliziten wie expliziten Verständnisses von Ich/Nicht-Ich in den Kulturen diametral angelegt, oder z.B. die Gegensätze in einem föderalistischen oder liberalen Weltbild aufzuwachsen, auch die jeweilige Geschichtlichkeit spielt eine Rolle, oder z.B. die eigene Auffassung der Subjekt-Objekt-Dichotomie (und das sind nur vier Beispiele von mehreren). Schon daher ist eine östliche von einer westlichen Achtsamkeitspraxis begrifflich und faktisch zu unterscheiden.

Argument 2: Bei der anfänglichen Übertragung von Sathi in Achtsamkeit, in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, wurde das in die buddhistische Philosophie verwobene Konzept säkular transkripiert und dabei auf die psychologische und gesundheitliche Dimension reduziert. Ziel von westlichen Achtsamkeitsübungen wurde Well-Being und Selbstliebe (obwohl lt. den meisten buddh. Schulen das Selbst keine Substanz, keine Essenz hat) und in weiterer Folge durch die an Westliche Werte abgepasste Haltung Leistunssteigerung und Arbeitsoptimierung. Die ethische (Entwicklung der Tugenden liebevolle Güte, Geduld, Mitgefühl, Freigebigkeit und Weisheit) und die transzendente (Überwindung der konventionellen Weltsicht und der damit verbundenen Illusionen, Überwindung des Ego) Dimension wurden dabei ausgespart, weshalb Achtsamkeit nicht dem entspricht was Sathi bedeutet, deshalb trenne ich diese Beiden Begiffe auch scharf voneinander (auch die Annahme einer implizite Ethik in verschiedenen Achtsamkeitsformaten ändert das für mich nicht). Durch die Entkopplung der verschiedenen Dimensionen wurde Achtsamkeit u.A. ein Werkzeug, eine Technik zur Optimierung des Menschen unter sozialdarvinistisch-kapitalistischem Paradigma. Gegenwärtig gibt es Bestrebungen die explizite ethische Dimension weiter zu entwickeln, was auch mein Bestreben ist, um Achtsamkeit näher an Sathi zu bringen und dabei trotzdem säkular zu bleiben. Der beschriebene Prozess bezeichnet für mich die Krise der Achtsamkeitsbewegung, gemeint ist damit eine Entwicklungskrise, die Chancen und Gefahren birgt.

Argument 3: Die entstandene Achtsamkeitsindustrie (McMindfulness – mehr dazu findet ihr in diesem sehr informativ gehaltenen Beitrag auf der Seite des Deutschen Fachzentrums für Achtsamkeit: McMindfulness boomt) verzerrt und verflacht die öffentliche Wahrnehmung von Sathi oft zu einem Konsumgut, das schnell einmal konsumiert wird und Wohlbefinden bringen soll (da ist generell nichts dagegen einzuwenden, aber das ist nicht das primäre Ziel von praktisch gelebter Sathi). Man wird auch in den seltensten Fällen in drei Tagen oder Wochen zu einem seriösen Achtsamkeitstrainer. Dies erfordert eine lange und tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Thema, mit sich und der Mitwelt. Letztlich birgt ein oberflächliches Konsumieren von Achtsamkeitsübungen die Gefahr dem Ego eher Nahrung zu geben als es hilft das Ego zu überwinden. Aber das ist ein, auch in verschiedenen buddhistischen Schulen, teils sehr grundsätzlicher und sublim geführter Diskurs.

Ich hoffe ich konnte trotz der recht kurz gefassten und nicht zu sehr in die Tiefe gehenden Argumentation meine Aussagen schlüssig erörtern und einen kleinen Einblick hinter die, von Achtsamkeits-Apps, Achtsamkeitstrainings, Achtsamkeitsonlinekursen und medialen Berichten über Achtsamkeit geprägte, Kulisse in relevante fachlichen Inhalte und Diskurse zum Thema Achtsamkeit geben. In diesem Sinne wünsche ich euch ein 8sames neues Jahr. Mögen alle fühlenden Wesen frei von Leid und glücklich sein.

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